Die durch die Delaykopplung auftretenden Effekte, die sich durch den Vergleich der gekoppelten Modelle mit dem einfachsten der drei Modelle erschließen, werden noch einmal zusammengefasst. Am auffälligsten ist der Bruch der Symmetrie der Vorzeichenverteilung in der --Ebene. Dies erlaubt sekundäre Bjerkneskräfte, die eine gleichgerichtete Bewegung beider Blasen bewirken, da sich die Blasen nicht mehr gegenseitig anziehen oder abstoßen. Es lassen sich Fälle finden, in denen beispielsweise die erste Blase die zweite anzieht, aber von dieser abgestoßen wird. Dieser Effekt wird bereits am ungekoppelten, linearisierten Modell deutlich, das das Delay nur bei der Berechnung der sekundären Bjerkneskraft berücksichtigt. Darüber hinaus verschieben sich die Vorzeichenwechsel durch die Hinzunahme der Delaykopplung bei kleinem Delay zu größeren Ruheradien. Dann wird die Bjerkneskraftlandschaft nicht mehr durch die linearen Resonanzen dominiert, und die Extremwerte sind zu größeren Ruheradien verschoben. Die rasante Änderung der Vorzeichenverteilung ist in diesem Fall stärker auf ein Intervall um konzentriert. Mit zunehmendem Abstand nimmt der Einfluss der Kopplung ab, und die sekundären Bjerkneskräfte ähneln denen, die das ungekoppelte Modell berechnet hat.
Die nichtlinearen Simulationsrechnungen zeigen gegenüber den linearen
Modellen bereits bei sehr kleinen Schalldrücken leichte Abweichungen, die jedoch
nicht überwiegen. Es zeigt sich, dass bei einem nicht zu kleinen Delay die
Aussagen des linearisierten, delay-gekoppelten Modells auch bei einem Schalldruck von
noch gut zu denen des nichtlinearen Modells passen. Bei sehr
kleinem Delay und entsprechend starker Kopplung tauchen allerdings Effekte auf, die
sich mit diesem Modell nicht mehr erklären lassen. Die Struktur der
Vorzeichenmuster wird gerade für große Ruheradien, bei denen die Annahme
der Linearisierung, die Blase schwinge mit kleiner Auslenkung um ihren Ruheradius,
nicht mehr erfüllt ist, verändert. Erhöht man dann den Druck auf
Werte, wie sie für die Strukturbildung typisch sind, finden sich völlig
neue Verteilungen, die mit denen bei geringeren Drücken nur noch gemeinsam
haben, dass bei
der Ausschnitt der --Ebene von
bis
etwa durch die Winkelhalbierende geteilt wird, und die
Vorzeichen für noch größeres Delay sich umdrehen. Bei sehr kleinem
Delay fand sich eine komplexe Struktur, die den komplizierten Einfluss der zeitlich
verzögerten Kopplung auf die Dynamik der dann stark gekoppelten, nichtlinearen
Blasenoszillatoren wiederspiegelt.
Schließlich zeigt ein Vergleich der wenigen, aus der Literatur bekannten
Ergebnisse zu diesem Thema mit denen des delay-gekoppelten Modells, dass sich die
vorhergesagten Kräfte wesentlich unterscheiden. Es zeichnet sich dabei ab, dass
eine weitere Druckerhöhung auf moderate Werte die Komplexität des
Bjerkneskraftmusters etwas beschneidet, und die zerfransten Muster der
Vorzeichenverteilung glättet.
Wie jede Arbeit hinterlässt auch diese offene Fragen, sei es, weil sie sie
nicht behandelt hat, sei es, da sich diese Fragen erst durch diese Arbeit ergeben
haben.
Ein großes Delay hat einen größeren Einfluss auf das Vorzeichen der
sekundären Bjerkneskraft, während sich ein kleines Delay mit der
stärkeren Kopplung deutlich auf die Blasenschwingung auswirkt. Diese Effekte
gilt es nun gegeneinander abzuwägen. Auch ein Vergleich der primären und
der sekundären Bjerkneskraft drängt sich auf, um festzustellen, wie man sie
für die Modellierung der Strukturbildung durch das Partikelmodell verwenden
muss. Für die Strukturbildung darf davon ausgegangen werden, dass der Einfluss
des Delays spürbar sein wird. Die Ergebnisse aus dieser Arbeit und aus [25] sind teilweise zu unterschiedlich, als das man
darüber einfach hinwegsehen dürfte. Dies wird Gegenstand zukünftiger
Untersuchungen sein.
Der nur kurz erwähnte Effekt der ,,super-resonanten`` Blaasenpaare macht
ebenfalls neugierig auf weitere numerische Simulationsrechnungen. Und letztlich ist
es auch die Aufgabe der Physik, die in der Simulation mit einem Modell gefundenen,
theoretischen Erkenntnisse auch experimentell zu verifizieren oder falsifizieren. So
werden sicherlich Experimente durchgeführt werden, die untersuchen, ob der
Einfluss der endlichen Schallgeschwindigkeit eher theoretischer Natur ist, und somit
getrost vernachlässigt werden darf, oder ob er tatsächlich für das
Entstehen und Verstehen der wunderschönen Strukturen mitverantwortlich ist.
Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
Delaydifferentialgleichungen
Häufig findet man in der Physik und in anderen
Wissenschaften Problemstellungen, bei denen die Einflüsse einiger
Größen erst verzögert, mit einem Delay behaftet, auftreten. So stellt
die Schwangerschaftszeit in der Populationsforschung ebenso ein Delay dar, wie die
Blutzirkulation bei der medikamentösen Behandlung. Bei rückgekoppelten
Systemen (s. [1] für rückgekoppelte
Halbleiterlaser) ist die Zeit der Rückkopplung endlich, wie auch die Zeit bei
Wechselwirkungsphänomenen. Diese mögen vielleicht mit Lichtgeschwindigkeit
stattfinden, bleiben aber endlich schnell. Oftmals ist der Einfluss dieser
Verzögerung zu vernachlässigen. Bei nichtlinearen Systemen, die ja
empfindlich von ihren Systemparametern abhängen, muß das allerdings nicht
notwendig der Fall sein, ebenso kann eine lineare Abbildung an Komplexität
gewinnen.
Die Formen des Delays sind vielfältig. Ein Delay mag kurz sein bei mit
Lichtgeschwindigkeit wechselwirkenden Systemen, die räumlich nicht weit
voneinander entfernt sind, oder lang in der Populationsforschung. Das Delay kann auch
durch eine Funktion, die eventuell auch vom Zustand des Systems selber abhängt,
gegeben sein. Im hier vorliegenden Fall der Kavitationsblasendynamik wurde jedoch ein
konstantes Delay angenommen.