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Theorie

Für Blasen, für deren Ruheradius $R_{j0}$ $4\mu/\rho c \ll R_{j0} \ll c/\omega = \lambda/2\pi$ gilt, und bei geringem Anregungsdruck $p_a \ll p_{st}$ gilt die linearisierte Form der Keller-Miksis-Gleichung (der Einfachheit halber in komplexer Schreibweise):
$\displaystyle \ddot{R}_j' + \alpha_j \dot{R}_j' + \omega_{j0}^2 R_j'$ $\textstyle =$ $\displaystyle -\frac{p_a}{\rho R_{j0}} \ehoch{(i\omega t)}$ (19)
  $\textstyle \text{mit}$ $\displaystyle \,\alpha_j=\frac{4\mu}{\rho R_{j0}^2}+\frac{\omega_{j0}^2R_{j0}}{c}$  
  $\textstyle \text{und}$ $\displaystyle \omega_{j0}^2 = \frac{1}{\rho R_{j0}^2}\left[3\kappa p_{st}+\frac{2\sigma}{R_{j0}}(3\kappa-1)\right].$ (20)

Man kann aus der Beziehung zwischen $\omega_0$ und $R_{j0}$ (3.3) entweder den linearen Resonanzradius $R_{j0,lin}^{res}$ (Minneart'scher Radius [26]) bei gegebenem $\omega_{j0}$ oder aber zu einem $R_{j0}$ die lineare Resonanzfrequenz $\nu_{j0}^{lin}=\frac{\omega_{j0}^{lin}}{2\pi}$ berechnen. Für diese beiden Größen gilt bei Vernachlässigung der Oberflächenspannung $\sigma$ und bei Normalbedingungen in Wasser die Faustregel $\nu_{j0}^{lin}\cdot R_{j0}^{res}\approx 3\einh{m/s}$. Somit ergibt sich also für den linearen Resonanzradius bei der hier durchgehend verwendeten Anregungsfrequenz von $\nu=20\einh{kHz}$:
\begin{displaymath} R_{j0,lin}^{res} \approx 150\einh{\mu m} \end{displaymath}

durch explizites Auflösen von Gleichung (3.3) nach $R_{j0}$:
\begin{displaymath} R_{j0,lin}^{res} = 163\einh{\mu m}. \end{displaymath}

Nun soll Gleichung (3.2), die einen getriebenen, gedämpften harmonischen Oszillator beschreibt, gelöst werden.
Ansatz:

$\displaystyle R_j'(t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \hat{R}_j\ehoch{i\omega t}\ehoch{i\varphi_j}$ (21)
$\displaystyle \Rightarrow\quad \dot{R}_j'(t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle i\omega\hat{R}_j\ehoch{i\omega t}\ehoch{i\varphi_j}$  
$\displaystyle \Rightarrow\quad \ddot{R}_j'(t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle -\omega^2\hat{R}_j\ehoch{i\omega t}\ehoch{i\varphi_j}.$  

Einsetzen in (3.2) und Teilen durch $\ehoch{i\varphi_j}\ehoch{i\omega t}$ ergibt:
$\displaystyle \hat{R}_j\left(\omega_{j0}^2-\omega^2+i\alpha_j\omega\right)$ $\textstyle =$ $\displaystyle -\frac{p_a}{\rho R_{j0}}\ehoch{-i\varphi_j}$ (22)
  $\textstyle =$ $\displaystyle -\frac{p_a}{\rho R_{j0}}\left(\cos\varphi_j-i\sin\varphi_j\right)$ (23)

Von dieser Gleichung der Realteil und der Imaginärteil betrachtet, ergibt ein Gleichungssystem:
$\displaystyle \text{Realteil:}$      
$\displaystyle \hat{R}_j\left(\omega_{j0}^2-\omega^2\right)$ $\textstyle =$ $\displaystyle -\frac{p_a}{\rho R_{j0}}\cos\varphi_j$ (24)
$\displaystyle \text{Imagin\uml {a}rteil:}$      
$\displaystyle \hat{R}_j\left(\alpha_j\omega\right)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{p_a}{\rho R_{j0}}\sin\varphi_j.$ (25)

Quadrieren und Addieren der beiden Gleichungen (3.7) und (3.8) liefert nach Umstellen:
\begin{displaymath} \hat{R}_j = \frac{p_a}{\rho R_{j0}} \frac{1}{\sqrt{\left(\omega_{j0}^2-\omega^2\right)^2+\left(\alpha_j\omega\right)^2}}. \end{displaymath} (26)

Teilt man hingegen die beiden Gleichungen durcheinander, erhält man:
$\displaystyle \tan(\varphi_j)$ $\textstyle =$ $\displaystyle -\frac{\alpha_j\omega} {\left(\omega_{j0}^2-\omega^2\right)}$  
$\displaystyle \Rightarrow\quad\varphi_j$ $\textstyle =$ $\displaystyle \arg\left(\frac{\alpha_j\omega}{\left(\omega^2-\omega_{j0}^2\right)}\right).$ (27)

Damit ergibt sich die Schwingung als Realteil des Ansatzes (3.4) zu:
$\displaystyle R_j'(t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \hat{R_j}\cos(\omega t+\varphi_j)$ (28)
  $\textstyle \text{mit}$ $\displaystyle \,\hat{R}_j= \frac{p_a}{\rho R_{j0}\sqrt{(\omega_{j0}^2-\omega^2)^2+(\alpha_j\omega)^2}}$  
    $\displaystyle \varphi_j = \arg\left(\frac{\alpha_j\omega}{\left(\omega^2-\omega_{j0}^2\right)}\right).$  

Also schwingt die Blase gemäß
\begin{displaymath} R_j(t) = R_{j0} + \hat{R}_j \cos(\omega t +\varphi_j) \end{displaymath} (29)

mit einem $\hat{R}_j \ll R_{j0}$. Es ergibt sich dann für das Volumen der $j$-ten Blase:
$\displaystyle V_j(t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{4}{3}\pi \left(R_{j0}^{3} + 3 R_{j0}^2\hat{R}_j\cos(\omega t +\varphi_j) + \mathcal{O}(\hat{R}_j^2)\right)$ (30)
  $\textstyle \approx$ $\displaystyle \frac{4}{3}\pi R_{j0}^2 \left(R_{j0} + 3\hat{R}_j \cos(\omega t +\varphi_j)\right)$ (31)

für die Ableitung:
\begin{displaymath} \dot{V}_j(t)=-4\pi R_{j0}^2\hat{R}_j\omega\sin(\omega t+\varphi_j). \end{displaymath} (32)

Eingesetzt in die Gleichung (2.11) erhält man dann für die sekundäre Bjerkneskraft:
$\displaystyle \vec{F}_{b12,lin}^{\tau}$ $\textstyle =$ $\displaystyle -\frac{\rho}{4\pi d^2} \aver{\dot{V}_1(t-\tau)\dot{V}_2(t)}\, \vec{e}_r$ (33)
  $\textstyle =$ $\displaystyle -\frac{\rho(4\pi \omega)^2}{4\pi d^2} R_{10}^2 \hat{R}_{1} R_{20}... ... (t-\tau) +\varphi_1\right]\, \sin\left[\omega t +\varphi_2\right]}\, \vec{e}_r$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle - \frac{4\pi\rho\omega^2}{d^2} R_{10}^2 \hat{R}_{1} R_{20}^2 \hat... ... +\varphi_1\right] \, \sin\left[\omega t +\varphi_2\right]\;\diff t\,\vec{e}_r.$  

Mit Hilfe der Beziehung
\begin{displaymath} \sin{x} \sin{y} = \frac{1}{2}\cos(x-y)-\frac{1}{2}\cos(x+y) \end{displaymath}

(s. [8]; dieses Buch darf nicht unerwähnt bleiben) und aufgrund des verschwindenden Integrals
\begin{displaymath} \int_0^T\cos(2\omega t+\varphi_1+\varphi_2-\omega\tau)\;\diff t \end{displaymath}

erhält man die sekundäre Bjerkneskraft im linearen Fall zu:
\begin{displaymath} \vec{F}_{b12,lin}^{\tau}= -\frac{2\pi\rho \omega^2}{d^2} ... ...hat{R}_{2}\; \cos(\varphi_1-\varphi_2-\omega\tau)\;\vec{e}_r. \end{displaymath} (34)

Dabei berechnen sich die $\hat{R}_j$ und $\varphi_j$ nach Gl. (3.9) und Gl. (3.10). [Dies ist konsistent mit Gleichung (2.12), wobei hier eine Radiusschwingung betrachtet wird, in Gl. (2.12) dagegen eine Volumenschwingung.]

Da das Delay $\tau $ im Argument des Kosinus auftaucht, ist es sinnvoll, das Delay in Bruchteilen der Periodendauer $T=50\einh{\mu s}$ zu messen. So wurden für verschiedene feste Anregungsdruckamplituden $p_a$, deren Größe die Nichtlinearität in der Keller-Miksis-Gleichung bestimmt, Serien verschiedener $\tau $ berechnet. Dabei wurde jedesmal $\tau = T/100$ für ein sehr kleines Delay gewählt und $\tau =T/50$, um die Dynamik von sehr kleinem Delay zu größerem aufzuzeigen, falls diese bemerkenswert erschien. Delaywerte von $\tau = T/5$, $\tau = T/4.1$, $\tau =T/4$ und $\tau = T/3$ zeigen die Entwicklung um den ,,unsymmetrischsten`` Punkt bei $\tau =T/4$, an dem die in [25] beobachtete Symmetrie bei Blasenvertauschung im nicht delay-gekoppelten Fall am wenigsten wiederzufinden ist. Als letzter Wert jeder Serie zeigt $\tau = T/2$ die Invertierung von $\tau =0$ durch Verschiebung der Phase des abgestrahlten Schallfeldes um $\pi$. Dies ist der größte untersuchte Delaywert. Was ein ,,großes`` Delay ist, hängt allerdings stark von der Anregungsfrequenz ab, von der Periodenlänge der Blasenschwingung im Verhältnis zur Laufzeit des Schalls, bis er auf vernachlässigbare Größe abgeklungen ist. Bei höheren Frequenzen können durchaus $\tau $-Werte interessant sein, die ein Vielfaches von $T$ betragen.

Die sekundäre Bjerkneskraft der ersten auf die zweite Blase gemäß Gleichung (3.17) wird in den folgenden Abbildungen, die die $R_{10}$-$R_{20}$-Ebene zeigen, in z-Richtung aufgetragen und auf der linken Seite als Gebirgsplot mit der Projektion der Nulldurchgangslinie gezeigt. Der vektorielle Charakter der Kraft findet dabei keine Berücksichtigung; es ist immer die Kraft in positive $\vec{e}_r$-Richtung gemeint, es ist in den Abbildungen

\begin{displaymath} F_{b12}=\vec{F}_{b12}\cdot\vec{e}_r \end{displaymath}

dargestellt. Der Ausschnitt aus der $R_{10}$-$R_{20}$-Ebene zwischen $100\einh{\mu m} \le R_{j0} \le 250\einh{\mu m}$ wurde gewählt, da sich der lineare Resonanzradius etwa in der Mitte dieses Ausschnitts befindet, und in dessen Nähe die bedeutenden Beobachtungen an der Dynamik zu erwarten sind. In allen wesentlichen Arbeiten zu diesem Thema wurde ebenfalls starkes Augenmerk auf das Vorzeichen der sekundären Bjerkneskraft gelegt, so dass es sinnvoll erscheint, dies auch hier zu tun, damit die Unterschiede zu bisherigen Theorien, die sich durch das Delay ergeben, deutlich gemacht werden. Daher ist rechts in der Abbildung das zur Bjerkneskraft gehörende Vorzeichen abgebildet. Dabei bedeutet schwarz eine negative Kraft, also Anziehung, und weiß eine positive, also Abstoßung. Für das Partikelmodell ist das Vorzeichen der sekundären Bjerkneskraft von besonderem Interesse. Wird beispielsweise die erste Blase von der zweiten angezogen, die zweite aber von der ersten abgestoßen, laufen sie zusammen in eine Richtung, und dieses Verhalten könnte für das Auftreten von Streamern mit verantwortlich sein.
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Stefan Kamphausen 2003-07-17