next up previous contents
Nächste Seite: Die sekundäre Bjerkneskraft Aufwärts: diplom Vorherige Seite: Inhalt   Inhalt


Strukturbildung bei Kavitationsblasen

Diese Arbeit befasst sich in wesentlichen Teilen mit der Berechnung der sekundären Bjerkneskraft, die zwischen zwei Kavitationsblasen wirkt. Die Motivation hierzu stammt aus den beobachteten Strukturen, die Kavitationsblasen in einem Ultraschallfeld bei geeigneten Parametern bilden können. Diese wegen ihrer Ähnlichkeit zu den elektrischen Lichtenbergfiguren ([23]) auch akustische Lichtenbergfiguren oder Streamer genannten Strukturen bestehen aus vielen stark inhomogen verteilten Einzelblasen, die sich auf kurzzeitig stabilen Pfaden mit Geschwindigkeiten bis zu einigen $\einh{m/s}$ durch die Küvette bewegen.

Diese verästelten Strukturen lassen sich in einem Experiment mit einer als Resonator dienenden rechteckigen Küvette, die mit Wasser gefüllt ist und in die intensiver Ultraschall eingestrahlt wird, dessen Frequenz gerade die (1,1,1)-Mode der Küvette anregt, beobachten (s. Abbildung 2.1).

Abbildung 2.1: Zentrumsbereich der starken Streamer im Experiment
\includegraphics [width=5cm]{EPS/streamer.ps}
An verschiedenen auf die Küvette verteilten Quellpunkten enstehen Kavitationsblasen, auf die verschiedene Kräfte wirken, so dass sie sich in Bewegung setzen. Diese Kräfte werden durch die primäre und sekundäre Bjerkneskraft gebildet. Zudem wirken noch Trägheits- und Reibungskräfte. Die primäre Bjerkneskraft rührt vom äußeren, stehenden Schallwellenfeld. In einem solchen Schallfeld erfährt eine räumlich ausgedehnte Blase mit Volumen $V$ einen Druckgradienten und somit eine Kraft in dessen negative Richtung. Durch zeitliche Mittelung dieser Kraft über eine Periode der Ultraschallanregung erhält man die primäre Bjerkneskraft (s. [22] oder auch [2]):
\begin{displaymath} \vec{F}_{B1} = -\aver{V(t)\nabla p_a(t)}. \end{displaymath} (1)

Die Kraft, die durch das abgestrahlte Schallfeld einer Blase auf eine andere wirkt, nennt man die sekundäre Bjerkneskraft. Dabei treten ganz erhebliche Unterschiede zwischen der linearen Theorie, die für kleine Anregungsdrücke und entsprechend kleine Schwingungen um die Ruheradien der Blasen gilt (s. Kapitel 3), und den numerischen Simulationen, die die Nichtlinearität der Blasen einbeziehen (Kapitel 4), auf.

Die primäre und sekundäre Bjerkneskraft wirken gegen die Trägheit der Blase und die viskose Reibung in der Flüssigkeit. Dabei wird bei der Trägheit die Masse des Blaseninhalts (Gas, Dampf) zumeist vernachlässigt, da der größte Teil von der verdrängten Flüssigkeit herrührt (,,virtuelle Masse``; s. [22]). Diese Größen sind allerdings für realistisch schwingende Blasen schwierig analytisch zu fassen. Daher entnimmt man sie zumeist den experimentellen Daten oder benutzt recht grobe Näherungen.
Die Kräftebilanz auf einzelne Blasen spielt eine Rolle im sog. Partikel- oder Vielteilchenansatz. Man versucht für mehrere hundert Blasen mit einem Ruheradius der Größenordnung einiger Mikrometer, deren Bewegung im Schallfeld zu modellieren, indem in zeitdiskreten Teilschritten jeder Blase ein Ort zugewiesen wird. Um das Problem zu vereinfachen nimmt man an, dass alle Blasen den gleichen Ruheradius haben und ihre Verteilung keinen Einfluss auf die Schallgeschwindigkeit in der Flüssigkeit hat. Ferner berechnet man nur kurze Sequenzen unter einer Sekunde, um die Quellen der Blasen als ortsfest annehmen zu können. In [30] wird ein ausführlicher Überblick über die bisherigen Ergebnisse mit diesem Modell gegeben. Dort wird auch ein weiterer Ansatz zur Modellierung der Strukturbildung, das Kontinuumsmodell, beschrieben, das jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit ist (s. auch [3]). In den Simulationen von PARLITZ et al. wurde auf den wichtigen Beitrag der sekundären Bjerkneskraft für die Strukturbildung hingewiesen. Bei starken Drücken nimmt sie die Größenordnung der primären Bjerkneskraft an und kann möglicherweise sogar zu einem bistabilen System führen, wenn der Druckbauch des Ultraschallfeldes über die primäre Bjerkneskraft abstoßend wirkt, die sekundären Bjerkneskräfte in diesem Bereich hingegen anziehend sind. Somit ist eine nährere Betrachtung von großem Interesse.


Unterabschnitte
next up previous contents
Nächste Seite: Die sekundäre Bjerkneskraft Aufwärts: diplom Vorherige Seite: Inhalt   Inhalt
Stefan Kamphausen 2003-07-17